Vom Probieren zum Studieren

Mehr als 800 Menschen haben mit Mein Grundeinkommen für je ein Jahr ausprobiert, wie Grundeinkommen wirkt, und gezeigt: Es funktioniert im Kleinen. Nun ist es Zeit für den nächsten Schritt!

Michael Bohmeyer
31.05.2021

Grundeinkommen ist das ideale Thema, um bei einem geselligen Abend mit Freunden endlos über das Menschenbild zu diskutieren: Ist der Mensch gut oder schlecht? Muss man ihn zur Arbeit motivieren oder will er selbst etwas schaffen? Bedeutet Grundeinkommen die Rettung oder den Untergang der Zivilisation? Wie man die Fragen beantwortet, war lange eine Glaubensfrage. Aber wir haben keine Zeit für theoretische Diskussionen, denn die Welt hat drängende praktische Probleme – und dafür braucht es dringend neue Lösungen statt Losungen.

Deshalb haben wir vor sechs Jahren die vermeintliche Utopie „Bedingungsloses Grundeinkommen“ einfach zur Realität gemacht. Seither haben wir über acht Millionen Euro Spenden gesammelt und diese als Ein-Jahres-Grundeinkommen von monatlich 1.000 Euro an mehr als 800 zufällig ausgewählte Menschen verschenkt, bedingungslos.

Praxis versus Theorie

Die Gewinner*innen erzählten uns, was während und nach der Zeit in ihrem Leben passiert war. Dabei stellten wir überrascht fest: Grundeinkommen wirkt in der Praxis ganz anders als es beim Abend mit Freunden diskutiert wird. Nur wenige wechselten ihren Job, niemand wurde faul. Im Gegenteil: Die Menschen blühten auf, lebten gesünder und sozialer, trafen mutigere Entscheidungen, bildeten sich fort, gründeten Firmen – auch jene, die vorher schon genug Geld für ein gutes Leben hatten. Unsere gemeinnützige Organisation „Mein Grundeinkommen“ arbeitet wie ein modernes Startup: Wir bauen Prototypen, testen sie im Feld, messen die Wirkung, lernen daraus und bauen dann den nächst größeren Prototypen. Das wiederholen wir so lange, bis wir wissen, ob das Grundeinkommen funktioniert – oder eben nicht. Bisher können wir sagen: Grundeinkommen funktioniert im Kleinen. Doch natürlich ist unser einjähriger Versuch nur begrenzt aussagekräftig und die Erfahrungen der Gewinner*innen werden kaum wissenschaftlich erfasst.

Grundeinkommen auf den Prüfstand stellen

Für den nächsten Prototypen brauchen wir einen Außenblick. Wir wollen sichergehen, dass wir keinem Bubble-Effekt und keiner Betriebsblindheit erliegen. Wir wollen wissen, ob es sich lohnt, noch mehr Zeit und Energie in diese Idee zu investieren. Wir haben uns deshalb an das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gewendet und darum gebeten, das Grundeinkommen auf den Prüfstand zu stellen.

Die Wissenschaftler*innen forschen unabhängig und ohne von uns dafür bezahlt zu werden. Unser Beitrag ist es, die Fragen und Erkenntnisse in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wir lieben Diskussionen. Aber wir sind zu ungeduldig für nichtfundierte Glaubensdebatten. Wir wollen es wissen und laden alle Menschen ein, sich dieser Erkenntnissuche anzuschließen.

Wir lassen los und geben ab an die Forschung

Wir als Organisation verstehen uns in diesem Projekt primär als Vermittler. Denn während die Parteien beim Grundeinkommen noch zögern, schafft die Zivilgesellschaft längst Realitäten: Bezahlt und ermöglicht wird dieses Forschungsprojekt nämlich von rund 180.000 Privatpersonen, deren monatliche Spenden direkt an die Teilnehmer*innen fließen. Sie sind die Auftraggeber*innen dieser – ganz wortwörtlichen – Gesellschaftsstudie.

Nun lassen wir los und verschreiben uns dem ­Erkenntnisgewinn. Herr Professor Schupp, dürfen wir bitten?


Dieser Artikel ist auch erschienen im Magazin zum Pilotprojekt.

Read the English version of this article in our Basic Income Pilot Project Magazine.

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