Herr Schwerter, mal ganz grundsätzlich gefragt: Warum arbeiten Menschen überhaupt?
Frederik Schwerter: Es kann Spaß machen, wenn man seine Talente zur Geltung bringen und ausbauen kann. Arbeit kann ein wichtiger Teil der eigenen Identität sein. Sie kann Sinn stiften und zu Anerkennung in der Gesellschaft führen. Und Geld als Entlohnung spielt natürlich auch häufig eine große Rolle, um wichtige Bedürfnisse zu befriedigen. Außerdem können mittels der Arbeit auch Ziele und Interessen verfolgt werden, die über das Wohl der eigenen Person hinausragen. Aber auch Zwischenmenschliches auf der Arbeit kann motivieren, wie zum Beispiel, wenn die Arbeit fair gestaltet ist und man sich mit Kollegen und Vorgesetzten mit Respekt begegnet und Vertrauen aufgebaut werden kann.
Werden Menschen aufhören zu arbeiten, wenn sie Grundeinkommen bekommen?
Frederik Schwerter: Das ist eine wichtige Frage, zu der wir mehr wissen müssen. Es fehlt noch an empirischer Evidenz, um eine zufriedenstellende Antwort darauf geben zu können.
Es kann gut sein, dass einige Menschen aufhören, zu arbeiten oder ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Dabei können eigene Bedürfnisse oder andere Aufgaben in den Vordergrund rücken, wie beispielsweise die Ausübung einer Freizeitbeschäftigung, die Pflege eines eigenen Elternteils, die Unterstützung eines Vereins, eine berufliche Weiterbildung und Umorientierung oder vieles mehr. Wenn Menschen mit ihrer Arbeit weitestgehend zufrieden sind, vielleicht sogar in ihrer Arbeit eine Berufung erfahren haben, dann kann es aber auch genauso gut sein, dass Menschen weiterarbeiten.
Eine plausible Vermutung scheint zu sein, dass Menschen unterschiedlich auf ein Grundeinkommen reagieren werden. Es stellt sich dann die Frage, wie ausgeprägt die unterschiedlichen Effekte in der Gesellschaft sind und welche überwiegen.
Ist Geld überhaupt ein guter Motivator?
Frederik Schwerter: Grundsätzlich schon, eine wichtige Einschränkung gibt es dennoch. Geld oder andere Formen von extrinsischer Motivation, wie zum Beispiel auch soziale Anerkennung, können intrinsische Beweggründe verdrängen. Verkürzt gesagt: Eine Tätigkeit, die nur aus intrinsischen Motiven ausgeübt wird, führt eventuell zu mehr Fleiß und Hingabe, als eine Tätigkeit, für die man bezahlt wird.
Wie könnte ein Grundeinkommen die Arbeitsmotivation verändern?
Frederik Schwerter: Ein Grundeinkommen könnte dazu führen, dass die intrinsische Motivation, zu arbeiten, stärker in den Vordergrund rückt. Bestimmte Aufgaben bei der Arbeit erlangen dadurch einen neuen Stellenwert. Wenn das Geldverdienen nicht mehr primär im Fokus liegt, könnten Beschäftigte beispielsweise mehr in das Arbeitsklima „investieren“. Es könnte aber auch sein, dass Menschen mit Grundeinkommen sich etwas mehr Zeit bei der Jobwahl lassen und dadurch ihre Chance vergrößern, einen für sie optimalen Job zu finden.
»Ein Grundeinkommen könnte dazu führen, dass die intrinsische Motivation, zu arbeiten, stärker in den Vordergrund rückt.«
Mit dem Grundeinkommen könnte es zu einer Machtverschiebung am Arbeitsmarkt kommen. Welche Effekte interessieren Sie und wie kann man das untersuchen?
Frederik Schwerter: Zuerst würde mich interessieren, wie Arbeitnehmer überhaupt auf ein Grundeinkommen reagieren. Wie verändert sich das Arbeitsangebot? Das Pilotprojekt Grundeinkommen versucht für die Beantwortung dieser Frage wichtige erste Erkenntnisse zu liefern. In einem nächsten Schritt wäre es dann interessant zu wissen, wie Arbeitgeber auf ein Grundeinkommen reagieren und ob sich das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ändert. Hierzu wären größer angelegte Studien nötig, wie die Einführung eines Grundeinkommens in ganzen Bundesländern.
Welche Rolle spielt eigentlich die Tatsache, dass das Geld bedingungslos ausgezahlt wird?
Frederik Schwerter: Der Kontext kann eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise könnte das Sicherheitsgefühl von Menschen durch die Auszahlung der Grundeinkommen zunehmen. Darüber hinaus könnten sie das Gemeinschaftsfühl stärken. Im Kontrast zu Steuern bedeutet das Grundeinkommen eine direkte Zahlung von der Gemeinschaft an das Individuum. Da Menschen oft reziprok – wie du mir, so ich dir – handeln, könnte dies auch in gemeinschaftsstärkendem Verhalten gipfeln. Außerdem könnte das Grundeinkommen auf erwerbslose Menschen einen positiven Effekt haben. Wenn ein Grundeinkommen das Arbeitslosengeld ersetzt, dann würden damit eventuell assoziierte, stigmatisierende Gefühle wegfallen. Das Grundeinkommen bekommen ja alle. Ob und wie ausgeprägt solche Effekte im konkreten Fall des Grundeinkommens sein werden, lässt sich allerdings kaum vorhersehen. Es könnte auch sein, dass nach wenigen Monaten der Grundeinkommensauszahlungen jene Effekte durch einen Gewöhnungseffekt überlagert werden.
Dieser Artikel ist auch erschienen im Magazin zum Pilotprojekt.
Read the English version of this article in our Basic Income Pilot Project Magazine.
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