Grundeinkommen gegen Stress? So erforschen wir den Zusammenhang
Gehetzt, überfordert, gestresst: Das ist für viele Menschen der Normalzustand. Was die Arbeit damit zu tun hat und wie wir mit dem Pilotprojekt herausfinden, ob das Grundeinkommen daran etwas ändern könnte, erfahren Sie in diesem Forschungseinblick.
Hatten Sie schon einmal Angst, Ihren Job zu verlieren? Oder sind Sie in dysfunktionalen Arbeitsverhältnissen geblieben, obwohl sie Ihnen nicht gut taten? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. In Deutschland empfinden drei Viertel der Beschäftigten mindestens einmal pro Woche großen Stress.
Und auch allgemein gesehen ist Arbeit einer der größten Stressfaktoren. Das hängt mutmaßlich damit zusammen, dass sie unser Überleben sichert. Dementsprechend hoch ist bei vielen die Angst vor einem Jobverlust. Dies kann auch gesundheitlich zu negativen Konsequenzen führen: Der Ökonom Jan Kleibrink stellte fest, dass gerade unsichere Arbeitsplätze und problematische Arbeitsbedingungen der Gesundheit der Beschäftigten schaden.
Was könnte ein Grundeinkommen daran verändern?
Könnte das auch anders sein? Menschen, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen befürworten, sind sich sicher, dass eine Entkopplung von Existenzsicherung und Arbeit viel Gutes bewirken könnte: Sie behaupten, dass das Wegfallen von Existenzangst und Stress zu neuer Motivation und einer Wiederherstellung von Augenhöhe zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber führe.
Dadurch würden Menschen effizienter arbeiten, seltener krank sein und mehr Zuversicht, Eigenverantwortung und Lebenszufriedenheit verspüren.
Auf der anderen Seite könnte ein Grundeinkommen denjenigen, die sich festgefahren im Job fühlen, die Möglichkeit eröffnen, sich selbstbewusst und mutig in eine neue berufliche Richtung weiterzuentwickeln. So könnten sie beispielsweise entsprechende Weiterbildungsangebote wahrnehmen oder sich einen passenderen Job suchen - ohne dabei ihre Existenzgrundlage aufs Spiel setzen zu müssen.
Aber führt all das auch wirklich zu reduziertem Stress? In der bisherigen Forschung gibt es zumindest erste Indizien, dass das Bedingungslose Grundeinkommen einen Schutz vor einer Vielzahl von stressbedingten Krankheiten mit sich bringen könnte.
Das Pilotprojekt Grundeinkommen will es aber genauer wissen und stellt diese Annahme auf den Prüfstand. Kann der monatliche Erhalt einer existenzsichernden Summe wirklich den Stress reduzieren? Und wie lässt sich das überhaupt verlässlich feststellen? Die Antwort auf diese Fragen wächst auf den Köpfen der Teilnehmer*innen.
Ja, richtig gehört. Ganze drei Mal trudeln in der Laufzeit der Studie Umschläge mit einem ganz besonderen Inhalt im “Pilotprojekt Grundeinkommen”-Büro ein: Bleistiftdicke Haarsträhnen der Teilnehmer*innen. Hier werden sie anschließend gesammelt, pseudonymisiert, an ein Labor übergeben und dort untersucht.
Stress hinterlässt seine Spuren
Aber worauf eigentlich? Das Stichwort lautet Cortisol. So, wie sich das Alter eines Baums in die Ringe seines Stamms einschreibt, hinterlässt auch Stress seine Spuren im Körper. Messen wir die Konzentration dieses Biomarkers im Kopfhaar, erfahren wir, wie häufig und wie stark ein Mensch gestresst war.
Je länger das Haar, desto weiter in die Vergangenheit lässt sich das Cortisol messen. Da Haare etwa 1 cm pro Monat wachsen, kann man also bei den meisten Menschen mehrere Monate zurückschauen. Erstaunlicherweise verändert selbst der Faktor Zeit nichts am Informationsgehalt der Haare: Selbst bei Mumien lässt sich noch ein verlässlicher Cortisol-Gehalt feststellen.
Warum schüttet der Körper aber bei Stress überhaupt Cortisol aus? Das Hormon erlaubt ihm, in als gefährlich wahrgenommenen Situationen besser reagieren zu können. So wird einerseits mehr Energie bereitgestellt und andererseits das Immunsystem heruntergeregelt. Auf diese Weise bleiben wir handlungsfähig.
Wann wissen wir mehr?
Aber wie lange dauert es, bis sich stressreduzierende Maßnahmen bemerkbar machen? Schließlich sind wir ja sowieso nicht alle jeden Tag im gleichen Maße gestresst. Ab wann lässt sich ein solcher Einschnitt also verlässlich auf den entscheidenden Faktor zurückführen?
Eine Studie des Max-Planck-Instituts und der Max-Planck-Gesellschaft konnte nachweisen, dass eine tägliche Meditationspraxis schon nach drei Monaten leichte Effekte zeigt und die Cortisolmenge bereits nach sechs Monaten deutlich sinkt.
Das legt nahe, dass auch innerhalb des dreijährigen Studienzeitraums des Pilotprojekts festgestellt werden kann, ob ein Bedingungsloses Grundeinkommen einen ähnlich entspannenden Effekt haben könnte.
Sollte diese Hypothese zutreffen, werden wir schon bald erste Hinweise dafür haben. Denn im Mai nächsten Jahres erreichen uns zum zweiten Mal die Haarproben der Studien-Teilnehmer*innen. Vielleicht ist dann ja schon ein erster Trend erkennbar.
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