Herausforderung
Bei der Auswahl der Teilnehmer*innen standen wir vor einer Herausforderung. Einerseits soll ein Grundeinkommen für alle Menschen sein. Am liebsten wäre uns also, dass die Teilnehmer*innen möglichst bunt zusammengesetzt und möglichst für alle Personengruppen in Deutschland repräsentativ sind. Andererseits soll die Studie statistisch aussagekräftige und verallgemeinerbare Erkenntnisse erzielen, was wiederum mit einer sehr bunten (heterogenen) Gruppe in dieser Größenordnung unmöglich ist. Wir standen also vor der Wahl 122 Personen auszuwählen, die zwar das ganze Land repräsentieren aber keine wissenschaftlich belastbaren Aussagen zu Wirkungen eines Grundeinkommens liefern oder 122 Personen einer eingegrenzten Gruppe zu wählen, für die wir definitive Aussagen treffen können. Natürlich haben wir uns dafür entschieden, uns auf eine Bevölkerungsgruppe zu konzentrieren. Und zwar auf Folgende.
Haushaltsgröße: Ein-Personen-Haushalte für die Vergleichbarkeit
Grundeinkommen werden individuell ausgezahlt, heutige Einkommen hingegen werden pro Haushalt gemessen. Ein 4-Personen-Haushalt müsste streng genommen vier Grundeinkommen erhalten. Das würde aber zu einer geringen Anzahl an Haushalten führen, was kaum zu belastbaren Ergebnissen führen würde. Und nur ein Grundeinkommen in einem Mehr-Personen-Haushalt auszuzahlen, könnte die Ergebnisse verfälschen, da das eine Grundeinkommen dann von unterschiedlich vielen Menschen genutzt werden würde, also nicht mehr der volle Betrag einer Person zustehen würde und dadurch die Ergebnisse untereinander nicht vergleichbar wären. Auch hätten wir dann alle im Haushalt zusammenlebenden Personen für die Teilnahme an unserer Untersuchung gewinnen müssen.
Um diese grundsätzlichen Probleme der Grundeinkommensforschung zu entkommen, beschränken wir uns in der Studie deshalb auf Ein-Personen-Haushalte.
Alter: Wichtige Lebensentscheidungen zwischen 21 und 40
Hätten wir alle Altersgruppen unter den 122 Teilnehmer*innen abgebildet, hätte jede TeilnehmerIn quasi alleine als StellvertreterIn ihres Alters dagestanden. Aus Einzelerfahrungen verallgemeinerbare Erkenntnisse abzuleiten, würde allerdings innerhalb der Wissenschaft nicht als Wirkungsforschung akzeptiert werden. Deshalb mussten wir auch die Altersgruppe eingrenzen und haben uns für eine Altersspanne entschieden, die aus sozialpsychologischer Sicht besonders spannend ist.
Zwischen 21 und 40 Jahren haben die allermeisten Menschen ihre schulische Ausbildung abgeschlossen, sind berufstätig oder treffen wichtige Karriereentscheidungen oder gründen Familien. In diesen Jahren bauen sich viele ihre Existenz auf oder erfinden sich neu. Um die Veränderungen durch ein Grundeinkommen möglichst deutlich zu erkennen, ist es also zielführend sich auf Proband*innen in diesem Alter zu beschränken.
Einkommen: Grundeinkommen erstmals für die Mittelschicht
Das Grundeinkommen für Beziehende staatlicher Transferzahlungen, also einkommensschwächere Gruppen, wurde weltweit bereits vielfach wissenschaftlich untersucht, immer mit ähnlichen Ergebnissen: Es wurde genauso viel gearbeitet, allerdings häufiger in besser passenden Jobs, es wurde sich mehr und länger aus- und fortgebildet, die psychische und physische Gesundheit verbessert sich, Kriminalität nahm ab, das Vertrauen wuchs, die Zufriedenheit stieg.
Doch das Grundeinkommen ist mehr als eine sozialpolitische Maßnahme zur Armutsbekämpfung. Es versucht nicht – wie der Sozialstaat heute – den Armen zu helfen, sondern allen Menschen genug zu geben, so dass von vornherein überhaupt keine Armut entstehen kann. Das Grundeinkommen ist keine Nothilfe, sondern eine universelle Investition in die Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Wir wollen herausfinden, was diese Investition bringt. Dafür müssen wir das Grundeinkommen weltweit erstmals an der Mehrheit der Gesellschaft erforschen: der Mittelschicht.
Die TeilnehmerInnnen haben Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.200 und 2.600 Euro pro Monat. In diesem Einkommensbereich liegt knapp ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland (bzw. rund 50 % der in Einpersonenhaushalten lebenden).
Wie verändert Grundeinkommen diejenigen, die es auf den ersten Blick gar nicht brauchen, weil sie schon heute mehr als 1.200 Euro haben? Welche ungenutzten Potenziale werden durch das neue Sicherheitsversprechen entfesselt? Wie verändert sich Arbeit, wenn 1.200 Euro jeden Monat einfach da sind?
Alle hatten eine Chance – niemand wurde ausgeschlossen
Um aussagekräftige und verallgemeinerbare Forschungsergebnisse zu erhalten, mussten wir uns auf eine bestimmte Untersuchungsgruppe fokussieren. Trotzdem war es uns wichtig, auch Bewerber*innen eine Chance zu geben, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Daher haben wir einen exklusiven Platz geschaffen, der per Zufall unter allen Bewerber*innen vergeben wurde und nicht abhängig von Alter, Einkommen und Haushaltsgröße ist.
Jede Bewerbung hat die Studie besser gemacht
Allen, die nicht Teil der Studie geworden sind, möchten wir sagen: Ihre Bewerbung war nicht umsonst. Denn mehr Auswahl heißt mehr Qualität. Mit Ihrer Bewerbung haben Sie dazu beigetragen, dass wir mit der bestmöglichen Datengrundlage in dieses einzigartige Forschungsprojekt starten können. Danke!
Wie aussagekräftig ist diese Studie?
Das Pilotprojekt Grundeinkommen ist die erste Langzeitstudie zum Grundeinkommen, die in Deutschland durchgeführt wird. Mit drei Jahren Laufzeit gehört sie zu den längsten Grundeinkommens-Studien weltweit. Durch die Anwendung verschiedener wissenschaftlicher Methoden wie Fragebögen, Tiefeninterviews und Haarproben und einem interdisziplinären Forschungsteam, wird das Grundeinkommen und seine Wirkung aus ganz vielen Perspektiven durchleuchtet - was bisher weltweit einzigartig ist.
Die Erkenntnisse des Pilotprojekts werden verallgemeinerbar sein. Allerdings nicht für die gesamte deutsche Gesellschaft, sondern für die Gruppe der 21-40-jährigen Ein-Personen-Haushalte mit mittleren Einkommen in Deutschland. Nach den drei Studienjahren, wird untersucht und diskutiert, inwiefern sich die für diese gewonnenen Erkenntnisse auch vollständig oder teilweise auf weitere Bevölkerungsteile übertragen lassen.
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